Medien als Katalysator: ein Forschungsprojekt im Regenwald von Ecuador

Von 2012-2015 realisierten die gestaltungsorientierten Fachbereiche der TH-OWL (FB1, FB2, FB9) internationale, interdisziplinäre, interkulturelle Projektwochen – sog. „Summerschools“ – in Ecuador, Kolumbien und Peru, an denen insgesamt 95 Studierende teilnahmen.

Fünf dieser „Summerschools“ fanden im Regenwald von Ostecuador, in den (nur per Cessna zu erreichenden) Stammesgebieten der Shuar und Achuar statt.
An den zwei Standorten der AMAZONIKA Akademie, Sharamentsa, Rio Pastaza (Achuar), und Yuwientsa, Rio Macuma (Shuar) wurden mit deutschen und ecuadorianischen Studierenden und natürlich – als Zielgruppe – der indigenen Bevölkerung von Sharamentsa und Yuwientsa konkrete Projekte umgesetzt.

Hintergrund

Bei den Amazonas-Indianern wird das kulturelle Gedächtnis mündlich bewahrt und weitergegeben.
Schriftsprache wird zwar erlernt, aber letztlich nur gebraucht, um die Welt außerhalb des Regenwaldes zu verstehen. Schrift ist keine genuine Kulturtechnik der Amazonasindianer, kein Kommunikationsmittel. Es wird über Bilder und Visionen gedacht und geträumt und – neben der Sprache – mittels folgender Zeichensysteme visuell kommuniziert:

Komplexe Variationen mehrerer abstrakter Grundthemen reflektieren verschlüsselt die Mythologie der Indígenas. Sie sind sowohl Ausdruck des individuellen Wissens (sabiduria) der sog. Maestras, als auch der individuellen Kreativität.

Da die visuelle Kommunikation mit Zeichen Schwerpunkt von Christoph Althaus‘ Lehre ist, ist sein Interesse an dieser bislang unerforschten Bildsprache fast zwingend und er bewog sich 2015 ein Forschungssemester vor Ort durchzuführen. Dies geschah in Kooperation mit unseren Partnerhochschulen in Ecuador:

Es ist ausdrücklicher Wunsch der indigenen Gemeinden diese visuellen Kulturäußerungen zu dokumentieren und mit digitalen und analogen Medien zu interpretieren, zu transformieren und zu publizieren.

Entsprechende Medien- und Gestaltungskompetenz (oder besser: Kreativität) wurde vom FB Medienproduktion auf zwei Ebenen vermittelt:

(anschließende online-Publizierung)

Mit Naturpigmenten und eigens hergestellten neuen Zeichenträgern (wie getrockneten Rinden und selbstgeschöpftem „Papier“ aus Blättern und Fasern des Regenwaldes) wird das visuelle Gedächtnis der Shuar und Achuar medial neu interpretiert und kreativ dargestellt. Es entstehen nie zuvor hergestellte 2-dimensionale Bilder, die um ihrer selbst willen hergestellt werden. Die so entstehende Bild- und Zeichensprache ist völlig ohne mediale Außenbeeinflussung durch z.B. Fernsehen und Hollywoodfilme und wird der Öffentlichkeit außerhalb des Regenwaldes digital präsentiert.

Dieser Kultursprung durch Digitalisierung, diese Beschleunigung von Kommunikation, kann die Entwicklung dieser neuen medienspezifischen visuellen Sprache der Amazonasindianer ermöglichen und so eine kultur- und identitätsstiftende Teilhabe an der Weltkommunikation bieten: Amazonasindianer als Empfänger und Sender. Durch Vermittlung von Medienkompetenz werden aus Medien soziale Werkzeuge der Integration: Medien als Katalysator.

 

Resümee

Höhepunkt des Projektes war die 2015 stattfindende Ausstellung „Imàgenes y signos del Amazonia“ im Goethe-Institut in Quito, in der 140 Arbeiten ausgestellt wurden und deren Herstellung live von den Indígenas vorgeführt wurde. Auch ein 45-minütiger Dokumentarfilm wurde dort gezeigt. Zitat des teilnehmenden Häuptlings Ernesto Warush Jencham: „…unsere Kunst, in unserer Sprache, in unserer Hauptstadt: meine Träume sind in Erfüllung gegangen.“

Eine diese Arbeiten wurde vom 04.09. bis 04.10.2020 unter dem Titel „Wenn Rinden sprechen“ als Teil des Via Nova Kunstfestes Corvey „WildWaldWelt“ im Kloster Corvey in Höxter präsentiert.